Grenzen der Architektur-Visualisierung


Hat man´s ist´s nichts - hat man´s nicht ist´s zweimal nichts. Die Rede ist diesmal nicht vom lieben Geld, sondern von 3D-Konstruktionssoftware, Renderprogrammen und dem allseits unverzichtbaren Photoshop. Man könnte es auch mit Goethe sagen: "Zwei Seelen wohnen, ach in meiner Brust..." - die eine sieht die eindeutigen Vorteile einer plastischen Darstellung für das weniger geübte Auge, die andere findet das zwangsläufige Fehlen lebendiger Oberflächen und der kunsthandwerklich hergestellten Materialien schon fast irreführend.

Man macht ja im Laufe der Jahre so seine Entwicklung mit oder brutaler gesagt - was interessiert mich mein Geschwätz von Gestern? Als ich 1998 erstmals ein Haus mit einer 3D-Software geplant habe, war ich von diesem "Mäusekino" hellauf begeistert. Die Begeisterung hielt dann auch einige Jahre an. Für teuer Geld Rendersoftware für realistische Licht- und Schattenberechnung angeschafft, fleißig im Photoshop zusammenmontiert, immer schnellere Computer gekauft (Lichtberechnung für ein einziges Bild hat teilweise 2 Tage gedauert), Nächte im Büro verbracht - all das nur dafür, um Bauherren und Interessenten Fotos  statt nur Baupläne präsentieren zu können. Fotos von Häusern, die wenn sie dann gebaut sind, auf keinen Fall so aussehen, wie auf diesen Fotos und noch weniger so wirken. Zumindest war das meine Meinung - einige Jahre später.

Die nächste Phase war eingeläutet. Keine Fotomontagen mehr - nie wieder! Man kann einfach die Wirkung von alten handgehackten Balken, geschmiedeten Geländern, antiken Türen oder einem Kirchenpflaster genau so wenig visualisieren wie einen Waschlputz. Also war die Konsequenz, nicht mehr fotorealistisch soll die Darstellung sein, sondern emotional - sagen wir eher kunstvoll. Das Mittel der Wahl waren dann Stiftzeichnungen und Aquarelle - suuuper Idee! Ein irrer Aufwand, hübsch anzusehen - aber dann die schrecklichste von allen Fragen: "Können Sie kein 3D?" oder die absolute k.o.-Aussage: "Ich kann mir das nicht richtig vorstellen" - damit war´s dann wohl Essig.

Und heute? Planung in 3D ist einfach Standard und macht in jeder Hinsicht Sinn. Ob man daraus dann immer Hochglanzfotos basteln muss ist eher fraglich. Die beste "Visualisierung" ist wahrscheinlich die eigene infektiöse Begeisterung für Material, Form, Handwerk und Architektur im Ganzen.